Lyrik vs. Jazz: And the winner is wunde(r)bar!

Wundebar ist eine hochklassige Performance aus Lyrik und Jazz. Dabei lassen sich die Musiker Chris Gall (Piano), Alex Haas (Kontrabass), Wolfgang Peyerl (Schlagzeug) und Martin Cambeis sowie Franz Westner (Stimmen) von den Texten Tania Rupel Teras mitreißen und inspirieren. Sie improvisieren, sie modulieren das anspruchsvolle lyrische Material, kämpfen mit ihm, teilen aus und stecken ein, alles in bester Manier. Für die vorliegende Audio-CD wurden 19 Stücke zusammengestellt, die es in sich haben. 

Tanja Rupel Tera ist eine dieser seltenen Begabungen, denen ein Genre nicht ausreicht, um sich kreativ auszuleben. Sie ist Malerin und Autorin in Symbiose, widmet sich beidem mit gleicher Verve und Leidenschaft im Ringen um die künstlerische Aussage. Gefälligkeit ist ihre Sache nicht, wie im Jazz ist die Harmonie in ihren Gedichten oft nur geahnte Möglichkeit, meistens ein fragiler Zustand, der dem Dissonanten abgerungen werden muss. Keine Rose ohne Dorn, ohne Schmerz, Verlust und Versehrung geht es nur selten. So heißt es gleich zu Beginn in Schwarze Vögel: „Blitzende Säbel zerhacken das Blaue in Stücke Neben mir qualmt ein Fetzen blutiger Himmel Die Töne stürzen ohne Fallschirme herunter Verrenkt, entstellt – bombardieren sie mich Und das Herz applaudiert …“ Das sind starke, wuchtige Bilder, literarisch hochverdichtete Assoziationen, die an expressionistische Lyrik erinnern und denen die Virtuosen an Instrument und Stimme den passenden Soundtrack verpassen. Das wummert und vibriert, ist herrlich ungemütlich, lässt niemanden kalt. Wie im Boxen und im Leben werden die, die sich exponieren, getroffen, aber wie will man sich denn auch spüren, Mensch sein, wenn man nicht ab und zu die Deckung fallen lässt und dann mit dem Schmerz weiterleben muss? „Du bist gegangen Deine Vogelschritte Durch mich hindurch Picken mit die letzten Stunden heraus Es dämmert Ich bin dunkelwach In mir graben Raben.“ Auch mal poetisch und zart, packt mich beim Zuhören doch immer wieder die martialische Metaphorik – „Die Stille tut am meisten weh Sie spießt mich auf mit ihrem spitzen Spieß, mit Speer Mit einer Lanze oder Gabel – das aggressiv aufgeladene Stakkato der Verse, wahlweise getragen oder kontrapunktiert von dem, was man guten Gewissens guten Jazz nennen kann. 

Idee und Konzept für das vorliegende Projekt stammen von Tanja Rupel Tera und Franz Westner, seines Zeichens Verleger, wichtige Figur im Freien Deutschen Autorenverband (www.fda.de) und Inhaber des SALON LiteraturVERLAGs in München. Eine fruchtbare Kooperation, die in ein faszinierendes Hör- und Klangerlebnis gemündet ist, das auch von der Gestaltung sehr zu gefallen weiß. Ein großer Wurf, dem ich eine entsprechende Resonanz wünsche! 

Wundebar: Lyrik und Jazz. Audio-CD, SALON LiteraturVERLAG, München 2019. Ab jetzt erhältlich auf allen Streamingportalen und bei Galileomusic sowie über die Verlagsseite zu bestellen unter bestellen@SalonLiteraturVerlag.de

The Irishman

„I heard you paint houses?” fragt Jimmy Hoffa alias Al Pacino den späteren Irishman Frank Sheeran alias Robert De Niro. Nicht nur in Martin Scorseses gleichnamigem Epos meistert Gewerkschaftsboss Hoffa den Slang der Gangster nonchalant. Häuser anstreichen ist zu dieser Zeit der Code dafür, jemanden umzubringen. Im Film sieht man dann während des Telefonats das Blut nur so an die Wand spritzen: morbides Action Painting à la Jackson Pollock. I heard you paint houses lautet auch der Titel der literarischen Vorlage von Charles Brandt. Robert De Niro steht seit 1995 in Casino zum ersten Mal wieder unter der Regie des Altmeisters vor der Kamera, ihm zur Seite die Old Fellas Al Pacino, Joe Pesci und Harvey Keitel – Porträt der Künstler als ältere Männer. Mein persönlicher Favorit in einer kleinen Rolle als Bodyguard mit Loyalitätsproblem: der ehemalige Schwergewichtsprofi „Big“ Robert Mladinich. Ansonsten erfährt man: Töten ist eine ernste und unromantische Angelegenheit und mit dem Familienleben nur schwer in Einklang zu bringen. Darüber hinaus, dass in Filmen von Martin Scorsese sehr viel geredet wird, was zur Vermutung führt, dass Quentin Tarantino viele Scorsese-Filme gesehen haben muss. Und überhaupt sollte Scorsese endlich einen Roman von Dostojewski verfilmen. Letzte Erkenntnis nach 209 Minuten in der Matinee der lichtspiele-kalk.de, samstags 11:30: Michel Foucault hatte recht, das Kino setzt jegliches Zeitempfinden außer Kraft, schafft Illusionsräume, die die Taktung des Alltags unterlaufen, „wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplazierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind.“